Eichstätt. Der Arbeitskreis (AK) Shalom für Gerechtigkeit und Frieden an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) vergibt den diesjährigen Shalompreis an Kiran Kamal Prasad und das von ihm gegründete Projekt Jeevika. Prasad engagiert sich Karnataka, einem Bundesstaat im Südwesten Indiens, seit 1988 gegen Schuldknechtschaft. Dabei handelt es sich um eine Form der Zwangsarbeit und moderner Sklaverei. „Jeevika“ steht für “Jeeta Vimukti Karnataka”, was so viel bedeutet wie “Leben ohne Schuldknechtschaft in Karnataka“.

In Indien arbeiten und leben nach Schätzungen internationaler Organisationen (z.B. Global Slavery Index 2023) elf Millionen Menschen unter Sklaverei ähnlichen Bedingungen. Zwar ist die Schuldknechtschaft in Indien seit 1976 verboten, doch die Gesetze werden auf lokaler Ebene oftmals nicht umgesetzt.
Schuldknechtschaft entsteht aus Armut: Die Löhne z. B. in der Landwirtschaft, in Steinbrüchen und Ziegeleien oder auf dem Bau reichen gerade für das Allernötigste. Für Medikamente, neues Saatgut oder selbst für Essen müssen die Arbeiter*innen Kredite bei privaten Geldverleihern aufnehmen. Um die Schulden abzuzahlen, werden sie verpflichtet, in deren Betrieben oder Haushalten für kaum mehr als ein Taschengeld zu arbeiten. Ein dauerhaft lukratives Geschäft für die „Arbeitgeber“. Für die Betroffenen, zumeist Dalits (ehemals „Unberührbare“) und Adivasis (Indigene), bedeuten sie eine Spirale aus Armut und Schuldknechtschaft, der sie kaum entkommen können.
Schuldknechtschaft geht auch mit großen Eingriffen in die Gesundheit und in das gesamte Leben einher. In einigen Branchen erstreckt sich die Schuldknechtschaft faktisch auf ganze Familien inkl. Kleinkindern. Die Arbeitszeiten reichen bis zu 22 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Nicht selten werden die Arbeiter*innen gefährlichen Tätigkeiten oder schädlichen Stoffen ausgesetzt. Oftmals dürfen sie Haus und Hof nicht mehr verlassen. Wenn sie sich wehren, müssen sie mit Schikanen und Boykotten rechnen, häufig kommt es zu körperlicher Gewalt wie Schlägen, Verletzungen und Vergewaltigungen oder gar Ermordungen.
Jeevika unterstützt die Menschen in den Dörfern Karnatakas, vorhandene Abhängigkeitsstrukturen aufzubrechen und begleitet sie in den mehrjährigen Freilassungs- und Rehabilitierungsprozessen. Der Hauptfokus Jeevikas liegt auf der Stärkung der Dalits und anderer am äußersten Rand der Gesellschaft lebender Gemeinschaften. Die Gleichstellung von Mann und Frau in ländlichen Räumen sind ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit. Schul- wie auch Erwachsenbildung und gewerkschaftliche Organisierung werden als Schlüssel im Kampf gegen Armut und für ein Leben in Würde angesehen. Bereits 30.000 Menschen konnten aus der Schuldknechtschaft befreit werden, 5.000 bekamen mit der Unterstützung von Jeevika Rehabilitierungsmaßnahmen von der Regierung bewilligt.
Die Organisation ermittelt, wo Schuldknechte/-mägde arbeiten, und hilft dabei, Anträge auf Freilassung und Rehabilitation bei der Bezirksregierung zu stellen. Die befreiten Arbeiter*innen werden ermutigt, der „Vereinigung für befreite Schuldknechte“ beizutreten, in der man sich gegenseitig unterstützt, regelmäßig trifft und sowohl individuelle als auch gemeinschaftliche Projekte entwickelt. In Frauen-Selbsthilfegruppen erhalten die Mitglieder zudem Zugang zu Kleinkrediten und Beratung.
Regelmäßige Treffen, Weiterbildungen, Straßentheater zur Aufklärung und vieles mehr wird organisiert, um in der Öffentlichkeit vor Schuldknechtschaft zu warnen. Zudem befähigt das Projekt die ehemaligen Schuldknechte und -mägde, ihre grundlegenden Rechte gegenüber der Regierung einzufordern. Das Hauptziel von Jeevika sind Veränderungen in der Politik. Die Organisation konnte mit ihrer erfolgreichen Lobbyarbeit eine deutliche Erhöhung staatlicher Kompensationszahlungen erreichen. Diese sollen die Betroffenen bei ihrem neuen Leben in Freiheit unterstützen. Die Rehabilitationsprogramme ermöglichen es ihnen, ein Stückchen Ackerland, Kühe oder Ziegen zu erwerben oder zum Beispiel einen Kiosk zu eröffnen sowie den Kindern eine bessere Schulbildung zu ermöglichen. In diesen Investitionen für eine Sicherung ihres Lebensunterhalts, in die Zukunft der Kinder, in dem Wissen um Rechte und im Zusammenhalt in den Jeevika-Dörfern liegt ein wichtiger Schlüssel dafür, dass die befreiten Männer, Frauen und Kinder nicht erneut Opfer von Sklaverei werden.
Für all diese Arbeit erhält Jeevika keine staatliche Unterstützung, sondern wird ausschließlich durch internationale Geberorganisationen und Einzelspenden unterstützt.
Doch was hat Schuldknechtschaft in Karnataka mit uns in Deutschland zu tun? Ob Grabsteine oder Küchenplatten aus indischen Steinbrüchen, Textilien, Sportbälle oder Feuerwerkskörper – hinter vielen dieser Produkte, die auf dem europäischen Markt landen, stecken menschenunwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen. Nicht selten auch Schuldknechtschaft.
Gerechte Arbeits- und Handelsbedingungen sind das Ziel von Fairtrade-Organisationen. Eichstätt feiert in diesem Jahr das zehnjährige Bestehen der „Fairtrade-Stadt Eichstätt“. Der AK Shalom für Gerechtigkeit und Frieden ist Teil dieser Bewegung.
Der Shalompreis ist einer der höchstdotierten Menschenrechtspreise in Deutschland. Das Preisgeld wird ausschließlich durch Spenden zusammengetragen. Bürgerinnen der Stadt Eichstätt, (ehemalige) Studierende und Mitarbeiterinnen an der Katholischen Universität ermöglichen die Menschenrechtsarbeit des 1981 gegründeten Arbeitskreises durch rein ehrenamtliches Engagement.
Die öffentliche Preisverleihung findet am 9. Juni 2024 um 16 Uhr im Holzersaal der Sommerresidenz in Eichstätt statt. Weitere Informationen unter: www.ak-shalom.com
Für den diesjährigen Shalompreis wird um Spenden gebeten:
Neue Kontonummer: Diözese Eichstätt (KdöR) – Spendenkonto
DE52 7509 0300 0007 6521 00
Verwendungszweck: AK Shalom, Spendername, Adresse, Ort (Spendenquittung ja /nein)
Alle Spenden kommen ausnahmslos dem diesjährigen Preisprojekt Jeevika zugute, das keine staatlichen Zuschüsse erhält. Für den Shalompreis 2024 kann bis Dezember 2024 gespendet werden.
